Startseite » Erdogan als Co-Vorsitzender des Großen Nahost-Projekts

Erdogan als Co-Vorsitzender des Großen Nahost-Projekts

The End of the Greater Middle East Project The End of the Greater Middle East Project

Erdogan als Co-Vorsitzender des Großen Nahost-Projekts (BOP): Kontrolle, Chaos und Kalkül

Erdogan gilt nicht nur als türkischer Staatschef mit autokratischen Ambitionen, sondern auch als öffentlich bekennender „eşbaşkan“ – also Co-Vorsitzender – des sogenannten „Büyük Ortadoğu Projesi“ (BOP), im Westen bekannt als Great Middle East Project. Diese Selbsteinordnung ist keineswegs rhetorisches Versehen, sondern ein geopolitisches Bekenntnis mit weitreichenden Konsequenzen für die gesamte Nahostregion und weit darüber hinaus.

Die wahren Vorsitzenden: Wer hinter dem BOP wirklich steht

Die Konzeption des BOP erfolgte unter maßgeblicher Beteiligung westlicher Geheimdienste und Regierungen. Als strategischer Kopf gilt bis heute die CIA, die in Zusammenarbeit mit dem US-Außenministerium und dem National Security Council das Projekt entwarf. Unter der Administration von George W. Bush wurde das BOP offiziell 2004 in den G8-Gipfel eingebracht. Damals federführend waren Condoleezza Rice und Paul Wolfowitz.

Heute gelten William J. Burns (amtierender CIA-Direktor), Jake Sullivan (Nationaler Sicherheitsberater unter Joe Biden) sowie Antony Blinken (US-Außenminister) als strategische Nachfolger dieser Linie. Die geopolitischen Prinzipien des BOP leben weiter – nur mit moderner Rhetorik. Auch israelische Sicherheitsstrukturen wie der Mossad wurden mehrfach als ideologische Berater des BOP genannt, insbesondere im Hinblick auf Syrien, den Iran und Nordafrika.

Im Zusammenspiel dieser Kräfte ist Erdogan kein unabhängiger Visionär, sondern ein regionaler Vollstrecker. Seine Selbstbezeichnung als „eşbaşkan“ bedeutet, dass die politischen, wirtschaftlichen und militärischen Maßnahmen, die unter seiner Führung getroffen wurden, stets im Kontext eines westlich definierten Ordnungskonzepts standen.

Strategien und Ziele des BOP: Warum Destabilisierung Methode ist

Das Große Nahost-Projekt verfolgt keine klassisch-demokratische Reformagenda, sondern beruht auf einem Paradigma kontrollierter Fragmentierung. Ethnische, religiöse und ideologische Unterschiede sollen nicht ausgeglichen, sondern bewusst verstärkt werden. Ziel ist ein Mosaik schwacher Staaten, die sich gegenseitig neutralisieren, wirtschaftlich abhängig sind und militärisch keinen Widerstand leisten können.

Zu den zentralen Absichten zählen:

  • Kontrolle über Energieströme (Öl, Gas, Transitwege)
  • Schwächung regionaler Nationalstaaten durch Spaltung
  • Förderung von Stellvertreterkriegen zur dauerhaften Instabilität
  • Reduktion islamischer Staaten zu ökonomisch kontrollierbaren Einheiten
  • Verhinderung neuer Allianzen gegen westliche Interessen

Diese Methode wurde bereits erfolgreich angewandt in: Irak, Syrien, Libyen, Jemen, Afghanistan – alles Staaten, die nach westlicher Intervention strukturell kollabierten. Die Zerstörung staatlicher Ordnung führt nicht nur zu massiven Flüchtlingsströmen, sondern schafft auch Vorwände für ständige militärische Präsenz.

Wann ist die Türkei dran?

Ein zentrales Narrativ der geopolitischen Beobachter lautet: „Wer das Chaos nach außen trägt, ist irgendwann selbst betroffen.“ Die Türkei fungiert im BOP als Instrument – doch ihr eigener Zerfall ist ebenfalls kalkuliert. Schon heute zeigen sich erste Symptome:

  • Wirtschaftliche Instabilität und hohe Inflation
  • Tiefe gesellschaftliche Spaltung zwischen Säkularen und Islamisten
  • Entmachtung der Justiz und Legislative
  • Kurdenkonflikt als permanent offenes Pulverfass
  • Abhängigkeit von ausländischen Investoren und Energieimporten

Die Annahme, dass Erdogan dauerhaft im Dienst westlicher Interessen bleiben könne, ist trügerisch. Sobald sein Nutzen als Mittelsmann erschöpft ist, droht der Türkei dasselbe Szenario wie jenen Staaten, deren Zerfall Erdogan selbst mitverantwortet hat. Interne Unruhen, ethnische Spannungen und ökonomische Brüche könnten ein kalkulierter Umsturz von innen einleiten – nicht durch Panzer, sondern durch wirtschaftliche, mediale und psychologische Steuerung.

Warum die türkische Wählerschaft Erdogans Rolle im BOP nicht erkennt

Die Mehrheit der türkischen Bevölkerung bleibt bis heute weitgehend ahnungslos über die tiefere geopolitische Rolle Erdogans als Co-Vorsitzender des BOP. Dies liegt nicht nur an einer gezielten Informationspolitik der Regierung, sondern auch an einem komplexen Zusammenspiel von Faktoren:

  • Medienkontrolle und Propaganda: Die türkischen Medien unterliegen einer starken Einflussnahme durch den Staat, der kritische Berichterstattung systematisch unterdrückt. Alternativmedien werden marginalisiert oder verboten, sodass die Bevölkerung überwiegend nur staatlich gelenkte Narrative erfährt.
  • Nationalismus und religiöser Identitätsdiskurs: Erdogan inszeniert sich als Verteidiger türkischer Interessen und islamischer Werte. Gerade in Zeiten von Unsicherheit und gesellschaftlichem Wandel bietet diese Erzählung vielen Wählern Orientierung und vermeintlichen Schutz.
  • Sozioökonomische Abhängigkeiten: Ein erheblicher Teil der Bevölkerung ist wirtschaftlich von Projekten, Subventionen oder sozialen Programmen abhängig, die direkt von Erdogans Politik beeinflusst werden. Dies schafft Loyalität trotz wachsender Probleme.
  • Mangel an unabhängiger Bildung und politischer Aufklärung: Die systematische Reformierung des Bildungssystems hat zu einer Einschränkung kritischer Denkfähigkeit und politischer Bildung geführt, was die Aufklärung über komplexe internationale Zusammenhänge erschwert.
  • Internationale Desinformation: Zudem werden internationale Einflüsse und „westliche Einmischung“ von der Regierung als Feindbild instrumentalisiert, wodurch jede Kritik als Verrat gebrandmarkt wird.

So ist eine paradoxe Situation entstanden: Trotz wachsender wirtschaftlicher Schwierigkeiten, innenpolitischer Repression und außenpolitischer Eskalationen hält ein großer Teil der türkischen Wähler weiter fest an Erdogan – dem offiziellen Co-Vorsitzenden eines Projekts, das letztlich auch das Land selbst destabilisiert. Dieses Festhalten beruht somit auf einem diffusen Mix aus Identität, Kontrolle und fehlender Transparenz, der es der Regierung ermöglicht, ihren Machtanspruch auch in kritischen Zeiten zu sichern.

weitere interessante links

Haftungsausschluss

Dieser Artikel dient ausschließlich der politischen Analyse. Alle Angaben erfolgen nach bestem Wissen auf Grundlage öffentlicher Quellen. Es wird keine Haftung für Vollständigkeit oder juristische Verwertbarkeit übernommen. Die Rolle von Erdogan im Kontext des BOP wird auf Basis dokumentierter Äußerungen und internationaler Berichterstattung dargestellt.